Freitag, 23. Mai 2014

Betriebsratsmitglied - Entfristung einklagbar

Das Arbeitsgericht Berlin hat einen Arbeitgeber dazu verurteilt, einem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied einen unbefristeten Arbeitsvertrag anzubieten.

Der Anteil der befristet beschäftigten Arbeitnehmer steigt stetig. In der Mehrzahl werden heute Arbeitsverträge zunächst nur befristet abgeschlossen. In vielen Betrieben mit einer hohen Fluktuation innerhalb der Belegschaft
sind die Arbeitnehmer mit befristetem Arbeitsvertrag in der Überzahl.

Neben anderen Problemen, die diese Entwicklung mit sich bringt, stellt dies auch ein praktisches Problem dar. Die für alle Beschäftigten notwendige ehrenamtliche Tätigkeit lastet ausschließlich auf den Schultern der Stammbelegschaft. Schon daraus ergibt sich die Frage, ob die befristet beschäftigten Kollegen für die Betriebsratsarbeit gewonnen werden können.

Für meine Begriffe viel schlimmer ist aber, dass das Fehlen der befristet beschäftigten Arbeitnehmer im Betriebsrat die Gefahr birgt, dass deren besondere Interessen durch den Betriebsrat nur ungenügend beachtet bzw. vertreten werden. Der Effekt wäre, dass der Graben zwischen den befristet Beschäftigten und der unbefristet Beschäftigten verstärkt werden würde.

Die Hürde für eine Betätigung des befristet Beschäftigten dürfte ein effektiver Rechtschutz im Falle der Nichtverlängerung oder der Entfristung wegen des Betriebsratsamtes sein. Wer Angst haben muss, seinen Job zu verlieren, weil er im Betriebsrat ist, der wird in aller Regel nicht für den Betriebsrat kandidieren.

Für den Schutz des Betriebsratsmitglieds gibt es eine zwingende europarechtliche Vorschrift. Art. 7 RL 2002/14/EG lautet:

"Die Mitgliedstaaten tragen dafür Sorge, dass die Arbeitnehmervertreter bei der Ausübung ihrer Funktion einen ausreichenden Schutz und ausreichende Sicherheiten genießen, die es ihnen ermöglichen, die ihnen übertragenen Aufgaben in angemessener Weise wahrzunehmen."

Klar ist, dass dieses europarechtlich gebotene Schutzniveau auch in Deutschland erreicht werden muss! Aber wie?

Im Urteil des Arbeitsgerichts Berlin - 28 Ca 4663/14 - vom 16.05.2014 wird dem befristet beschäftigten Betriebsratsmitglied ein Schadenersatzanspruch zugesprochen. Konkret wurde der Arbeitgeber dazu verurteilt, dem Arbeitnehmer ein Angebot auf Abschluss eines unbefristeten, aber ansonsten unveränderten, Arbeitsvertrages zu unterbreiten. Das Urteil liegt in vollständig abgefasster Form noch nicht vor und ist auch noch nicht rechtskräftig.

In dem Fall war das Arbeitsverhältnis eines Betriebsratsmitglieds nicht entfristet worden, während anderen Arbeitnehmern zum Teil die unbefristete Weiterbeschäftigung angeboten wurde. Unstrittig war der Arbeitnehmer nur am letzten Arbeitstag arbeitsunfähig. Anlässlich einer Verlängerung des befristeten Arbeitsvertrages war dem Arbeitnehmer ein sehr gutes Zwischenzeugnis ausgesprochen worden.

Ob es in einem Gespräch zwischen dem Arbeitnehmer und einem Vorgesetzten zu einer Unterhaltung über Mängel gekommen ist, war streitig. Der Arbeitnehmer erklärte im Prozess, dass ihm durch eine Führungskraft erklärt worden wäre, dass man sich mit seiner Entfristung schwer tue, weil er schlecht planbar sei. Dies wird von der Arbeitgeberseite bestritten.

Die Arbeitgeberin erklärte, dass die Nichtentfristung "nichts, aber auch gar nichts" mit dem Betriebsratsamt zu tun habe.

In dem Fall geht es - wie wahrscheinlich in den allermeisten dieser Fälle auch - um die Darlegungs- und Beweislast. Ob das Arbeitsgericht Berlin Indizien für eine Benachteiligung in solchen Fällen dem Arbeitnehmer abverlangt - und im vorliegenden Fall durch den Arbeitnehmer als erbracht ansieht - oder den Arbeitgeber von vornherein in der Pflicht zum substantiierten Vortrag sieht, bleibt abzuwarten. Im Übrigen wird auch das Bundesarbeitsgericht - 7 AZR 847/12 - wahrscheinlich am 25.06.2014 über die Entfristung eines befristeten Arbeitsvertrages eines Betriebsratsmitglieds zu entscheiden haben.


Arbeitsgericht Berlin, Urteil vom 16.05.2014, - 28 Ca 4663/14 -

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